Metal Slug Tactics Rezension: Die starren Rules of Engagement

Die altehrwürdige Metal Slug-Serie bekommt endlich Nachwuchs – allerdings im Rundentaktik-Gewand. Wir haben uns für Euch in die Schützengräben geworfen und die Sache einer kritischen Inspektion unterzogen.

Die Metal Slug-Serie ist ein echtes Kind der Spielhalle und ein Unikum ihrer Zeit. Zu ihrem Debut im Jahr 1996 wirkte sie vollkommen deplatziert, strebte doch der Zeitgeist nach immer realistischeren 3D-Modellen und geiferte den (damals noch arg kantigen) Rundungen einer Lara Croft hinterher. Da schien das enorm schnelle, aber doch anspruchsvolle und mit wunderschönen 2D-Animationen verzierte Run ’n Gun-Schlachtplatte aus der Zeit gefallen. Dennoch (oder vielleicht gerade deswegen)entwickelte sich Metal Slug zum Sleeper-Hit und schaffte es auf ganze fünf Fortsetzungen, allein auf der edlen Neo Geo-Hardware, sowie zahlreiche Neben-Teile.

2006 erschien mit Metal Slug 6 der letzte Teil in der Spielhalle. Seitdem versucht die Serie, sich mit mehr oder weniger kruden Neben-Veröffentlichungen über Wasser zu halten. So ist das vorliegende Werk auch nicht der erste Versuch im Taktik-Genre. Mit Metal Slug Attack Reloaded erschien unlängst sogar einer dieser Teile auf Nintendos Switch.

Doch genug des Vorgeplänkels. Bei Metal Slug Tactics handelt es sich um ein Rundentaktik-Spiel mit isometrischer Perspektive, nach dem Vorbild von Tactics Ogre oder Final Fantasy Tacrics, also gewissermaßen um eine Art Schachspiel mit Lebensenergie und Spezialfähigkeiten. Mit Eurer vergleichsweise kleinen Truppe aus Marco, Eri und Fio (Weitere Kombattanten können freigespielt werden) begebt Ihr Euch in die Schlacht gegen den fiesen General Morden, der mal wieder aus dem Gefängnis ausgebüxt ist.

Der Taktik-Bildschirm erschlägt Euch mit Informationen, ist aber sinnvoll aufgebaut. Je grüner das Feld, desto besser ist Eure Panzerung.

Die größten Stärken eines Metal Slug-Spielers sind Beweglichkeit und Schnelligkeit und dies haben die Entwickler versucht in das Kampfsystem einfließen zu lassen. So verfügen unsere Kollegen über einen arg kurzen Lebensbalken, sodass sie normalerweise innerhalb kurzer Zeit Toast wären. Nun gibt es aber eine Ressource namens Entschlossenheit, die es ermöglich einen gewisse Menge Schaden zu absorbieren. Entschlossenheit gewinnt Ihr, wenn Ihr mit jedem Zug eine möglichst weite Strecke zurücklegt. Dazu seht Ihr vor jedem Zug die Quadrate, die Ihr erreichen könnt, unterschiedlich grün ausgeleuchtet. Hellgrün in der Nähe, dunkelgrün am Rand des Marschgebiets. Je weiter Ihr also lauft, desto eher seit Ihr „Im grünen Bereich“.

Eine weitere Hilfe sind Unterstützungs-Aktionen. Feuert Ihr auf einen Gegner den ein weiterer Kollege noch im Visier hat, feuert der Kumpel eine Runde mit und der Feind erhält doppelten Schaden. Steht Ihr im Einzugsbereich einer Granate, trifft es Euch allerdings auch. Gut dass sich die Auswirkungen jeder Aktion im Taktik-Fenster präzise planen lassen.

Diese Mechaniken mögen zwar auf dem Papier gut und hilfreich klingen, in der Praxis sorgen sie aber dafür dass Ihr nur sehr eingeschränkt kämpfen könnt da Ihr all diese Boni auch tatsächlich nutzen MÜSST. Der harsche Schwierigkeitsgrad lässt Euch einfach keine andere Wahl. Zwar sammeln Eure Kämpfer Erfahrungspunkte und steigen nach der Schlacht im Rang auf – allerdings werden sie nach jedem beendeten Spiel wieder auf Level 1 zurückgesetzt. Die Roguelite-Mechanik ist hier unerbittlich.

BÄM, das hat gesessen! Versucht Gruppen von Feinden zusammen auszuschalten.

Solltet Ihr also einen locker-fluffigen Taktikspaß mit bekannten Sprites erwarten, so seid Ihr hier auf dem Holzweg. Wenn Ihr Metal Slug Tactics das erste Mal startet, dann werdet Ihr wahrscheinlich von einer Wand aus Frust erschlagen. Dazu kommt noch ein sehr eingeschränktes Fortschrittsgefühl, da Ihr mit jeder gewonnenen Schlacht nur eine kleine Menge Taler bekommt, selbst wenn Ihr Euch auf Neben-Ziele wie „Erledige drei Gegner in einer Runde“ oder „Nimm maximal zwölf Punkte Schaden“ stürzt. Mit den so mühsam zusammengesparten Talern könnt Ihr bei Eurer alten Bekannten Rumi Aikawa frische Loadouts kaufen – die Euch aber nicht unbedingt stärker machen, sondern lediglich erlauben den Spielstil anzupassen. So kann es sehr lange dauern und mühsam sein bis Ihr bei Metal Slug Tactics Erfolge feiern könnt. Habt Ihr aber das erste Mal ein gewaltiges Endgegner-Schlachtschiff in rauchende Trümmer geschossen, so fühlt Ihr Euch als wenn nach Ludex Gundyr das Leuchtfeuer aufploppt. Metal Slug Tactics ist demnach das Dark Souls unter den Taktikspielen, mit ähnlichen Tiefen, aber auch ähnlichen Höhen.

It’s a Großstadt-Dschungel out there! Kriecht durch die Kanalisation, um dem Feind in den Rücken zu fallen.

Audiovisuell gibt es absolut nichts auszusetzen. Die bekannten und geliebten Sprites wurden liebevoll modernisiert und platzen geradezu vor Details. Auch die Musik ist eingängig. Ähnlich wie in der Combat School auf dem Neo Geo CD oder den beiden Neo Geo Pocket-Teilen gibt es herrlich durchgeknallte Locker Room-Dialoge und viele liebevolle Details neben der Hauptmission zu entdecken. Aber warum muss die Schrift so klein sein? Die Tutorial-Texte konnte ich nur mit Handy-Lupe lesen und es ist davon auszugehen, dass die angepeilte Käuferschaft ein ähnlich gesetztes Alter und entsprechend knappes Sehvermögen hat wie ich.

Nur die Harten kommen in den Garten, ohne Fleiß kein Preis, nur wer kämpft kann gewinnen, beliebigen Macho-Spruch hier einsetzen. Nochmal in aller Deutlichkeit: Metal Slug Tactics ist knallhart und wird Euch in den ersten Stunden zur Verzweiflung und darüber hinaus bringen. Ich habe offen gestanden ein anderes Spiel erwartet und Ihr wahrscheinlich auch. Es ist aber keinesfalls ein schlechtes Spiel und wenn Ihr Euch darauf einlassen könnt wirkt es sehr belohnend.

Selbsternannter Experte für Bullethell-Shooter und Soulslikes. Schreibt auch für die Pxelbücher (www.elektrospieler.de) und die Return (www.return-magazin.de)