Irem Collection Vol. 2 Rezension: Götterfunken

Die zweite Ausgabe der Irem Arcade Collection ist erschienen. Drei Titel finden sich hier, zweimal Run ’n Gun-Action und ein vertikaler Shooter. …ach komm, Schluss mit dem Presse-Blabla! So richtig interessant ist eigentlich nur einer der drei Titel, der hat es aber entsprechend Faustdick in sich!

Die Sammlung besteht aus GunForce 1 und 2 sowie Air Duel. In diesem Test bekommen alle drei Titel Einzel-Wertungen. Die höchste Ziffer stellt dann die Gesamtwertung dar. Warum? Ganz einfach, ein starker Titel soll nicht dadurch abgestraft werden, dass sich noch schwächere Spiele auf der Compilation befinden. Euch mag das nicht recht passen? Ihr findet da müsste ein Mittel gezogen werden? Schreibt Euren Unmut in die Kommentare! Jede Interaktion tut dem Algorithmus gut und sorgt dafür, dass sich noch mehr arme Seelen über dieses komische Wertungssystem ärgern dürfen.

GunForce

Die Metal Slug-Serie ist, neben Contra (in Deutschland aus Jugendschutzgründen Probotector, aber das wisst Ihr sicherlich), die beliebteste, langlebigste und bedeutendste Run ’n Gun-Serie – und hier findet sie ihren Ursprung – „Nein., Doch., Ooooh!!!“. GunForce ist tatsächlich der Ursprung von Metal Slug (hier meine Rezension des neuesten Taktik-Ablegers). Ein kleines Bisschen strahlt der Slug-Geist auch schon in diesem Spiel durch, etwa bei den herrlich bauchigen Explosions-Effekten oder den besseren Action-Momenten. Insgesamt bekommt Ihr hier aber einen eher müden Contra-Klon mit durchschnittlichem Leveldesign. Historisch interessant ist die Möglichkeit, allerlei Vehikel wie Jeep, Hubschrauber oder auch stationäre Geschütze nahtlos zu besteigen, zu pilotieren und wieder zu verlassen. Ein Gameplay-Element, das später ein wichtiger Baustein der Halo-Serie werden sollte. GunForce ist sowohl als Arcade- als auch SNES-Version auf der Sammlung enthalten. Die SNES-Variante schraubt die Grafik noch ein Stück weit runter, ist spielerisch aber ebenso hausmannskostig wie das Arcade-Original. Solltet Ihr irgendeine Version von Contra 3/Super Probotector im Haus haben, dann spielt lieber diese.

Einzelwertung: 5/10

GunForce 2

Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng geteilt,
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.

…okay, es geht schon wieder. Bitte entschuldigt. Meine Freude über diesen Release kann tatsächlich nur das Dichterwort adäquat wiedergeben. GunForce 2 ist die Art Spiel, die man nur alle fünf oder zehn Jahre antrifft, ein absoluter Ausnahmetitel und Zeugnis für fokussiertes Game-Design. Entstanden als einer der letzten Arcade-Releases kurz vor dem Konkurs von Irem, haben die verantwortlichen Designer hier nochmal all ihr Können und ihre Kunstfertigkeit in die Waagschale gelegt. Allein die Grafik ist ein Genuss! Jedes einzelne Sprite, jeder Hintergrund, jeder Effekt ist mit einer schier unglaublichen Detailfülle ausgestattet – und das Bild ist ständig in Bewegung! Permanent explodiert etwas, lodert Feuer über den Bildschirm, platzen Alien-Gedärme grellen Neon-Farben, eine einzige Action-Sinfonie. Da stört es auch nicht, dass das Spektakel nur zwanzig Minuten kurz ist. Im Gegenteil, durch diese enorme Kompaktheit ist Euch hier keine einzige Sekunde langweilig und nach diesem heftigen Dauerfeuer der Eindrücke brauchen Eure Synapsen sowieso dringend eine Pause. Einen Abspann müsst Ihr auch nicht ertragen, für diesen war während der gehetzten Produktion keine Zeit mehr. Wenn Ihr durch seid, startet Ihr direkt in den zweiten Loop und dürft Euch dem Spektakel erneut stellen.

Anders als bei Metal Slug und manchmal auch Contra, fehlt es Euch hier nie an Schusskraft. Der von Euch gesteuerte Muskel-Söldner trägt in jeder Faust ’ne Knarre und kann permanent beidhändig ballern. Wo Ihr bei Metal Slug aufgrund Eurer laschen Standard-Bleispritze permanent zur Suche nach Munitions-begrenzten Extrawaffen seid, so hat bei GunForce 2 auch Eure Start-Ausstattung genug Wumms um die meisten Gegner zu plätten. Dies resultiert in einem herrlich schnellen, unkomplizierten Spielfluss und einem tollen Action-Gefühl. Der Schusswinkel der Waffen lässt sich leicht nach oben oder unten neigen, sodass Ihr einen komfortablen Bereich vor Eurer Nase abdecken könnt ohne zu ständigem Feinjustieren gezwungen zu sein. Diese feinen Details sind es, die GunForce 2 in den absoluten Action-Olymp heben. Ihr seid auch nicht permanentem Feindfeuer ausgesetzt, die Gegner schießen eher sporadisch, dafür gezielt. Die Schwierigkeit hierbei ist es, anfliegende Kugeln im Stahlgewitter überhaupt zu sehen. Extrawaffen gibt es natürlich trotzdem, ebenso wie allerhand kreative Vehikel. Mit Laser oder Flammenwerfer schnetzelt es sich durch die Feindes-Scharen wie durch warme Butter. So fühlen sich die Waffen-Funde mehr nach Belohnung denn nach notwendigem Übel an.

30 Jahre lang blieb diese Perle allein dem Spielhallen-Publikum und zwielichtigen Raubkopierern vorbehalten. Spätestens zu Saturn-Zeiten wäre ein Heim-Release Pflicht gewesen, erschienen doch Compilations mit R-Type und Image Fight. Nun die Videospiel-Götter sind grausam und manchmal dauert es länger. Danken wir dem Schicksal, dass wir diese Perle heute endlich zuhause genießen können.

Einzelwertung: 9,5

Air Duel

Das dritte Spiel der Sammlung fühlt sich wie ein überflüssiges Anhängsel an. Air Duel ist ein undynamisches Shmup mit Standard-Militärsetting und den üblichen Riesenpanzern. Es setzt auf gleichförmige Hintergründe mit gelegentlichen Highlights und einfache Feindformationen. Manchmal bleibt der Bildschirm sogar sekundenlang leer. Für sich genommen ist es kein schlechtes Spiel, aber die Zeit und die schiere Masse an besseren Spielen des Genres lassen es uninteressant werden, ähnlich wie Ghost Pilots oder die Hälfte der Psikyo-Bibliothek. Sehr schade ist, dass der deutlich bessere Quasi-Nachfolger Fire Barrel es nicht mit auf die Sammlung geschafft hat.

Einzelwertung: 4/10

Die Irem Collection Vol. 2 ist für PS4/5, Switch und Xbox One/S/X zum Preis von 24,99 € erhältlich. Für 39,99 bekommt Ihr auf Swizch ein Kombi-Paket aus Collection 1 und 2. Die erste Sammlung beinhaltet Image Fight 1 und 2 sowie X-Multiply, bietet also durchweg gelungene, klassische Shooter-Unterhaltung. Auf Strictly Limited Games bekommt Ihr die Playstation- und Switch-Varianten auch physisch, solo oder als Collector’s Edition mit Artbook und Soundtrack. Japan-Importeure bekommen ähnliche Pakete über den Japan-Publisher Tozei. Ihr könnt die Games entweder im Arcade-Mode ohne Spielhilfen, oder mit praktischer Rückspulfunktion genießen. Dann sind auf Playstation und Xbox aber die Trophäen/Erfolge gesperrt. Ein einstellbares Dauerfeuer schont Eure Daumen.

Ich sage es noch einmal mit aller mir gegebenen Deutlichkeit: Mit GunForce 2 bekommt Ihr hier eines der besten Spiele aller Zeiten und eine pure, intensive Arcade-Erfahrung vollgepackt mit kaum sichtbarem Feintuning.  Die 20-minütige Höllen-Tour ist pures Adrenalin und keine einzige Sekunde langweilig. Die anderen beiden Games auf der Compilation sind hier bestenfalls Bonusmaterial, aber sie stören auch nicht.

Selbsternannter Experte für Bullethell-Shooter und Soulslikes. Schreibt auch für die Pxelbücher (www.elektrospieler.de) und die Return (www.return-magazin.de)