Virtua Fighter ist zurück! Mit Teil 5 in der R-E.V.O.-Version kommen PC-Spieler in den Genuss eines macimal aufgebrezelten Prügel-Klassikers. Schauen wir uns die Sache einmal näher an – aber Vorsicht, die ersten drei Zuschauerreihen stehen in der Watschn-Zone!
Im Jahre des Herrn 1992 erscheint Capcoms Street Fighter 2 und verändert die Gaming-Welt für immer. Die darbenden japanischen Spielhallen erfahren einen gewaltigen Schub und werden zu Jugendzentren, in denen sich japanische Kids virtuell auf die Zwölf geben, wetteifern, Strategien tauschen. SEGA, damals einer der innovativsten und technisch fittesten Arcade-Entwickler, beweist bewundernswerte Anpassungsfähigkeit und ist nur ein Jahr später mit einen Konkurrenzprodukt am Start: 1993 verblüfft Virtua Fighter mit damals krasser Polygon-Grafik, ebenso wie mit tadelloser Spielbarkeit. Der Automat gilt als enorm realistische Zweikampf-Simulation, bei der jeder Kämpfer bis zu 120 verschiedene Moves beherrscht. Dabei wird all diese Komplexität nur mit Stick und drei Tasten gesteuert: Punch, Kick und Guard.
Seither geht SEGA sehr vorsichtig mit der Marke um. Hauptsächlich wird die Grafik vorangetrieben sowie Feintuning an der Spielbalance vorgenommen. Neue Moves oder gar Kämpfer zeigen sich nur sehr, sehr sporadisch. Bis etwa 2005 dominiert man die Spielhalle, dann verlagert sich das ruppige Geschehen auf die Heimkonsolen. Auch hier sinkt bald der Prügel-Stern, andere Genres werden wichtiger. SEGA selbst verabschiedet sich von seinen Arcade-Wurzeln und versinkt in erzählerischen Franchises wie Valkyria Chronicles und Yakuza.
Virtua Fighter bleibt parallel im Gedächtnis einer eingeschworenen Prügel-Gemeinde lebendig, die es über Jahrzehnte begeistert zockt. An diese Gemeinde richtet sich nun die neueste Veröffentlichung. Augenscheinlich nicht groß unterschiedlich zum letzten Outing 2021 auf der Playstation 4, locken nun zwei Verkaufsargumente den rachedurstigen Kunden: ein flotter Rollback-Netcode für flüssige Online-Matches und ein erneutes gründliches Balance-Feintuning, vorgenommen von SEGAS renommierten Ryu Ga Gotoko-Studio. Hiermit schließt sich ein seit über dreißig Jahren offener Kreis, schlummerte Yu Suzukis spektakulär gescheitertes Mammutprojekt Shenmue doch als „Virtua Fighter RPG“ im Entwickler-Limbo und diente Shenmue gleichermaßen als Vorbild für die beliebte Yakuza-Reihe des Studios.
Was ich hier so mühsam in halbinformatives Marketing-Blabla zu verpacken suche ist die simple Tatsache, dass Ihr hier ein seit über 30 Jahren kaum verändertes Spiel bekommt – und das ist großartig! Während andere Prügel-Franchises meinen sich permanent neu erfinden zu müssen, Street Fighter-Ryu einen hässlichen Bart ankleben und gar die Dimension wechseln, da bleibt Virtua Fighter der Spiel gewordene Traum der es immer war. Immer noch sind es drei Knöpfe für Schläge, Tritte und Verteidigung, die in Kombination mit den vier Richtungstasten für unzählige Kampfbewegungen sorgen. Zwar lassen sich Kombinationen auf Schultertasten legen, der Fighting-Kern bleibt aber gleich. Ideal also für alle, die einen Mini-PC im Automaten betreiben wollen.
So erwartet uns im Kampf das bekannte schnelle, direkte und sehr flüssige Gameplay. Bei Treffern fliegen Funken, Würfe gelingen einfach und wer fällt, darf sich in verschiedene Richtungen abrollen. Natürlich gibt es ein Ring Out und der Himmel ist noch so blau wie bei Out Run – so fühlt sich Zuhause an! Für Online-Spieler rollt der Netcode schnell, flüssig und zuverlässig, wenn auch einige hastige Patches nötig waren.
Nun folgt das große Aber. Wer nicht gerade im Netz kämpfen will, für den gibt es verschwindend wenig zu tun. Ein (immerhin umfangreicher und kompetenter) Trainingsmodus, Custom-Kämpfe und eine Arcade-Leiter – das ist alles. Wo sich der jüngste Tekken-Spross eine knuffige Animal Crossing-Spielhalle mit Kopffüßer-Editor und umfangreicher Seifenoper-Story leistete, da herrscht hier gähnende Leere. Bis auf charakterspezifische Kurz-Kampf-Intros mit markigen „Isch mach disch Krankenhaus“-Sprüchen gibt es keinerlei Story, nach Dural flimmert ein Schmuckloser Abspann und das war’s.
Immerhin könnt Ihr Eure Lieblinge wie Anziehpuppen ausstaffieren. Hier folgt allerdings der nächste Klops: Wer das volle Paket will, der darf zum (eigentlich günstigen) Steam-Preis von knappen 20 € das Doppelte für DLC-Kostüme draufschlagen. Dreist SEGA, wirklich dreist!
Virtua Fighter 5 R.E.V.O. will also ziemlich frech an Euer Geld. Aber ist es deswegen ein schlechtes Spiel? Kein Stück! Die Spielmechanik ist immer noch über jeden Zweifel erhaben und ich erwische mich immer wieder dabei, wie ich zwischendurch eine Arcade-Leiter genieße, das herrlich treibende Gitarren-Geschrammel aufdrehe und mich an Sarah Bryants flüssigen Bewegungen ergötze. Dank im Vergleich zu den „großen“ Prügel-Releases übersichtlicher Download-Größe und grünem Haken ist es ideal für Valves Steam Deck und lädt immer wieder mal zu einer schnellen Runde ein.
Fazit: Virtua Fighter 5 R.E.V.O. ist ein kompakter Arcade-Klopper der GANZ alten Schule mit hervorragender Spielbarkeit, starkem Balancing und herrlicher Musik. Es richtet sich erkennbar an Online-Profis und lässt Solo-Spielern kaum Fleisch am Knochen. Wer ohne Freischalt-Orgien und Story-Blingbling leben kann, der bekommt hier die purste, ekstatischstee, bis zum Maximum raffinierte Ladung Maulschellen serviert, die der Fighting-Markt zu bieten hat.
